Über 100 Chips werden heutzutage in Fahrzeugmodellen der Premiumklasse mit ihren diversen, meist mit dem Internet verbundenen Fahrerassistenzsystemen verbaut. Wo einst elektromechanische Systeme wirkten, steuern und überwachen heute Minicomputer und Sensoren den Motor, die Lenkung und das Bremsverhalten.
Die rund 38.000 Vertragswerkstätten und freien Werkstattbetriebe in Deutschland müssen heute viele neue Technologien und Systeme beherrschen, die in den zurückliegenden Ausbildungsgängen des Kfz-Gewerbes noch nicht einmal ansatzweise am Horizont abzusehen waren.
„Insbesondere im Elektronik- und IT-Bereich steht die Aus- und Weiterbildung in den Werkstätten vor besonderen Herausforderungen“, analysiert auch der Geschäftsführende Gesellschafter von Automotive Management Consulting, Rainer Kurek. Auf der anderen Seite stehen IT-affine Mechatroniker ohne Zusatzausbildung bei althergebrachten Fahrzeugen heute oftmals „auf dem Schlauch“.
„Wenn die jungen Männer und Frauen ihre Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker abgeschlossen haben, beginnt für sie die Phase des lebenslanges Lernens“, betont Helmut Schüle, neben Inhaberin Alexandra Klein Mitgeschäftsführer des traditionsreichen Familienunternehmens Auto-Klein in Frankfurt am Main-Sossenheim. Der heutige VW-Audi-Vertragspartner hatte 1896 zunächst mit Fahrrädern begonnen und blickt nicht ohne Stolz auf eine 122-jährige bewegte Firmengeschichte und Erfahrung in der Reparatur und Wartung vor allem von Automobilen zurück. Aktuell schrauben rund 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Werkstatt, checken per Notebook die Fahrzeugsysteme oder kümmern sich um den Neuwagenverkauf und die Buchhaltung.
„Individuelle Stärken und Schwächen bei Fortbildung berücksichtigen“
Bei der Fort- und Weiterbildung legt das Frankfurt-Sossenheimer Autohaus viel Wert auf Eigeninitiative: „Um bei neuen Modellen die nötige Tiefe für den täglichen Gebrauch zu gewährleisten, melden wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über VW und Audi zu Schulungen an; anschließend können sie dann ihr frisch erworbenes Wissen auch intern weitergeben“, berichtet Schüle. Bei fahrzeugneutralen Themen wie beispielsweise neuen gesetzlichen Vorgaben und Richtlinien für die Abgasgrenzwerte oder für die Behälterdruckprüfung greift das Autohaus auch gerne auf Seminar- und Schulungsangebote der Innung des Kraftfahrzeuggewerbes Frankfurt am Main zurück. Im Schnitt hat Auto-Klein für jeden Werkstattmitarbeiter sieben bis acht Tage bezahlte Fortbildung pro Jahr vorgesehen. Auch die Meister müssen regelmäßig die Schulbank drücken. Schüle: „Dabei berücksichtigen wir natürlich, wo jemand seine individuellen Stärken und Schwächen hat.“
Mitarbeiterschulung heißt für das Traditionsunternehmen Auto-Klein heute aber auch, neben den klassischen Seminarangeboten, Lehrgängen und Kursen zusätzlich webbasierte Trainingseinheiten mit einzubeziehen. Schüle: „Hierbei greifen wir auf die neuesten elektronischen Medien zurück, mit denen unsere Leute etwas lernen können.“
„Das E-Mobil zunächst stilllegen und vom Strom nehmen“
Welche Themenfelder sind für die Mitarbeiterschulung bei Auto-Klein nun besonders en vogue? Vor allem Elektrotechnik, Elektroantrieb und Hochvolttechnik sieht der Co-Geschäftsführer stark im Kommen. Immer mehr E-Mobile bevölkern die Straßen; damit werden auch die Herausforderungen an die Werkstätten immer größer. „Bei bis zu 450 Volt am Motor kann man nicht einfach sagen: ‚Mach mal auf und guck mal“, warnt Schüle. Bei der Reparatur eines E-Mobils oder Hybridfahrzeuges kann in der Werkstatt sehr schnell auch mal etwas schiefgehen. Es gelte, die richtigen Schritte in der richtigen Reihenfolge anzugehen: Zunächst das Fahrzeug stilllegen und vom Strom nehmen, danach den gesamten Platz absperren, damit auch drum herum nichts passieren kann, usw.
Eine zweite große Herausforderung sieht der Automotive-Profi in dem heute vor allem im Karosseriebau vorherrschenden Materialmix: „Einen Kotflügel kann man nicht mehr einfach an- und abschrauben.“ Hintergrund: Moderne Fahrzeugtypen sind heute nicht mehr ausschließlich aus einem einzigen Werkstoff, sondern aus einem bunten Mix von Normalstahl, hochfestem Stahl, Karbon, Magnesium und Aluminium gefertigt und werden munter miteinander verbunden. Schüle: „Der Werkstattmitarbeiter muss genau wissen, was geklebt, was geschraubt und was geschweißt ist.“
Tomorrow’s Service & Mobility

Zur Automechanika wird die Frankfurter Festhalle zum Hotspot für Innovationen. Namhafte Hersteller und Zulieferer sowie Start-ups präsentieren ihre Lösungen und Produkte zu Themen wie Digitalisierung, alternative Antriebe, autonomes Fahren und neue Mobilitätsdienste.
An zentraler Stelle steht die Zukunftsvision einer Werkstatt – im direkten Vergleich zu einem klassischen Reparaturbetrieb. Diagnose- und Reparaturprozesse stehen in rasantem Wandel und neue Geschäftsmodelle ergeben sich. Weitere Höhepunkte sind die Ausstellung zu den renommierten Automechanika Innovation Awards sowie Vorträge und Diskussionsrunden im Rahmen der Automechanika Academy.
„Einige Mitarbeiter wissen noch, wie man einen VW Käfer repariert“
„Wir haben diese Fahrzeuge in unserer Kundschaft und reparieren sie auch,“ sagt Schüle zum Thema Classic Cars. Vorteil eines traditionsreichen Familienbetriebes sei es, immer auch einige Mitarbeiter mit einer langjährigen Betriebszugehörigkeit an Bord zu haben. Schüle: „Die wissen noch, wie man einen VW Käfer repariert.“ Probleme bei betagten Kfz bereitet dem Autohaus manchmal die Ersatzteilebeschaffung: Auch über Volkswagen Classic Parts ist nicht immer alles zu bekommen. Mittelalte Fahrzeuge mit sieben, acht Jahren auf den Achsen dagegen stellen für das Autohaus überhaupt kein Problem dar. Schüle: „Diese Typen können wir problemlos reparieren.“
Ein Pferdefuß der sich immer schneller drehenden Schraube technologischer Innovationen in der Automotive-Branche ist aus Werkstattsicht die kostenintensive Anschaffung immer neuer Prüfsysteme und Geräte. Neuheiten wie computergestützte Einstellgeräte für Assistenzsysteme, Frontkameras, Spurhalteassistenten oder Radarabstandswarner erfordern – einerlei, ob Vertragspartner eines Herstellers oder freie Werkstatt – von allen Kfz-Werkstätten hohe Investitionen. Schüles Resümee: „Diese für Mitarbeiterschulung und tägliche Arbeit gleichermaßen unverzichtbaren Dinge könnten von der Industrie durchaus etwas preisgünstiger angeboten werden.“